Shit happens

Alle schlechten Dinge sind Drei

Die dritte OP meines Lebens liegt hinter mir. Der Weg dorthin war dem ersten ein bisschen ähnlich, hin, und herlaufen, Schmerzen, Ungewissheit, Zweifel. Zweifel an mir selbst, an dem was ich fühle und an den Ärzten.

Die ganze Tortur begann, als ich irgendwo Blut entdeckte und nach seiner Quelle suchte. Ich fand es schnell und habe ein Foto gemacht, um zu „sehen“, worum es geht. Ich hatte eine offene Wunde auf meinem Rücken. Ich geriet sofort in Panik, ich dachte, dass es eine Druckstelle / Dekubitus ist, was im leisen Ton ein halbes Jahr Bettruhe bedeutet. Keine Arbeit, keine Therapie, keine Treffen mit Freunden, keine Reisen, nichts. Eigentlich weiß ich gar nicht, ob man in solchem Fall zu Hause bleiben kann und eine Pflegekraft zugeteilt wird oder ob man automatisch die zur Genesung notwendige Zeit im Krankenhaus verbringt.

Glücklicherweise weiß ich es noch immer nicht, da sich die Wunde nur auf der oberen Hautschicht entwickelte. Trotzdem empfahl mir der Arzt einen Chirurgen aufzusuchen, nur um auf der sicheren Seite zu sein. Dies fand aufgrund der zuvor geplanten Reise zu Hause nach Ungarn statt.
Es erholte sich gut, bis zur Ultraschalluntersuchung gab es keinen Grund zur Sorge. Basierend auf den Bildern sammelte sich Gas unter der Hautschicht an, was auf das Vorhandensein von Bakterien hinwies. Die lebten glücklich dort, ernährten sich, vermehrten sich und starben. Wer weiß, vielleicht haben sie sogar gepupst und so die Menge des angesammelten Gases erhöht 😀

Nach der Untersuchung besuchten wir sofort den diensthabenden Chirurgen des für meine Adresse zuständigen Krankenhauses, der die Operation nicht durchführte, weil er sie für zu riskant hielt. Leider hatte ich keine Zeit, einen anderen Arzt aufzusuchen, weil ich nach Ostern zurück nach Berlin geflogen bin. Zur weiteren Beratung wandte ich mich an meinen Hausarzt. Er schickte mich sofort in die Notaufnahme und bat um eine Operation.

Sie haben mir schon bei der Patientenaufnahme gesagt, dass sie vielleicht keinen geeigneten Spezialisten haben, der mich versorgen könnte, aber ich sollte warten bis sie es rausfinden. Nach ein paar Stunden des Wartens fragte ich, wie es denn liefe, ob sie einen Spezialisten hätten, damit ich nicht unnötig herumsitzen müsste. Ein Glück, denn ihnen war schon seit einiger Zeit klar, dass es keine gibt und sie mich definitiv woanders hinschicken müssen.
Dann ging ich nach Hause und beschloss, es am nächsten Tag in einem anderen Krankenhaus wieder zu versuchen.

So kam ich dorthin zurück, wo mein Tumor damals entfernt wurde.
Ich kam nach einigen Stunden des Wartens dran, und nachdem ich von mehreren verschiedenen Spezialisten untersucht worden war, baten sie mich, während der Beratung Geduld zu haben. Dann entschieden sie, dass es absolut keinen Bedarf für eine Notfallversorgung gab und schickten mich weg, um einen Chirurgen zu finden, der den Eingriff ambulant durchführen würde.

Als ich scherzhaft fragte, wie ich das machen solle, ob ich selbst mal jemanden in Google suchen sollte, bekam ich zu meiner Überraschung die Antwort „genau“. Es folgten 2-3 Monate Suchen, Telefonieren und unzählige verschickte E-Mails. Aus irgendeinem Grund fühlte sich niemand kompetent, es wurden verschiedene spezialisierte Chirurgen vorgeschlagen. Als ich einen Allgemeinchirurgen kontaktierte, schickten sie mich zu einem Unfallchirurgen, manche aber zum Dermatologen. Es gab ein riesiges Durcheinander, Unsicherheit, niemand fühlte sich fähig oder kompetent den Eingriff durchzuführen.

Ich hatte Ende Juli endlich einen Termin bekommen, ich habe den erwartet, wie die Christen die Erlösung. Endlich war ich dran und erzählte die Geschichte von der Wunde und den pupsenden Bakterien. Liebe Leserinnen und Leser, was ratet ihr, was ist passiert? Jetzt habt Ihr die Möglichkeit Eure Wetten abzugeben!

Genau, getroffen. Der Arzt war sich unsicher und bat um ein Beratungsgespräch mit einem erfahreneren Kollegen. Dann wagte er es nicht, sie zu berühren. Er sagte, dass die Wunde schlecht aussah und schickte mich in die Notaufnahme. Ich sagte ihm, dass ich schon dreimal dort gewesen war und es immer gleich endete, sie schickten mich weg. Er war an der Meinung, dass seitdem einige Wochen vergangen seien und es sei jetzt definitiv schlimmer als zuvor war und dass die vorherigen Testergebnisse nicht mehr relevant seien.

Was hätte ich tun können? Ich verließ verzweifelt, hungrig und durstig die Arztpraxis und machte mich auf den Weg zu meiner vielten Gelegenheit in der Notaufnahme. An der Patientenaufnahme habe ich schon ziemlich viele Freunde. Es war alles trotzdem wie zuvor. Ich war mittlerweile ungeduldiger mit den üblichen Fragen und anstatt Anekdoten zu erzählen, fragte ich zurück, ob sie meine Akte gelesen hätten, weil alles darin steht. Offensichtlich war ich an diesem Tag nicht der freundlichste und ruhigste Patient. Ich war voller Frust und natürlich Sorgen und Unsicherheit. Schließlich bringen sie meine Haut auf den Markt, und ich habe nicht verstanden, wie sie meinen Zustand auf so unterschiedliche Weise beurteilen können. Und es half nicht, dass mich 3 Ärzte wieder ratlos ansahen.

Als mir der dritte Arzt sagte, ich solle nach Hause gehen, hier gibt es nichts zu tun, bin ich ausgeflippt, mir sind die Zügel aus der Hand gerutscht. Ich sagte mit erhobener Stimme, dass es mir egal ist, was er denkt, ich gehe nirgendwo hin, bis etwas mit meinem Rücken gemacht ist. Ich seid satt, herumgeschickt zu werden, als wäre ich eine Stoffpuppe. In der Zwischenzeit versuchte ich meinen Ausbruch zu verschönern, und obwohl ich meine Stimme erhob, sagte ich ihm, dass es keine persönliche Angelegenheit sei, aber ich langweile mich bereits, und als ich das letzte Mal einem Arzt glaubte, landete ich im Rolli. Der Arzt war gut gelaunt und sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen, er habe viel gesehen, hat nicht heute angefangen.

Wenig später fragte er mich, ob ich bereit sei ins Krankenhaus zu gehen, weil sie sonst in der Notaufnahme nicht operieren könnten. Ich weiß nicht, warum er von meinem sofortigen „Ja“ überrascht war. Er versuchte mich zu verunsichern und sagte mir, dass ich keinen Luxus erwarten kann, ein Einzelzimmer und dergleichen. Als ich ihm sagte, dass ich daran noch gar nicht gedacht hatte, erschien nur noch mehr Überraschung auf seinem Gesicht.
Ich habe es nicht verstanden, auch jetzt verstehe ich nicht warum. Vielleicht dachte er, ich hätte nirgendwo hingehen können und bräuchte ein Dach über dem Kopf? Oder dass ich Aufmerksamkeit brauche? Ich verstehe es wirklich nicht, aber es ist auch nicht wirklich wichtig.

Wenn man den Tag ohne Kaffee starten muss

Am Ende haben sie mich an diesem Tag nicht stationär aufgenommen, wir haben einen Termin für die folgende Woche gemacht, an dem ich „einmarschiert“ bin und am nächsten Tag operiert wurde. Nachdem ich mich von der Narkose erholt hatte, kam der Arzt, der den Eingriff durchgeführt hatte, und sagte mir, dass alles so gelaufen sei wie es sollte, die Operation erfolgreich war und ich innerhalb von paar Tagen nach Hause gehen kann. Ob die Operation tatsächlich notwendig war, wurde nicht gesagt.

Jedenfalls war es ein komisches Gefühl, wieder dort zu sein. Diese Wände, die Korridore, die Routine, die die Tage erfüllt. Der vertraute Schwesternruf-Knopf, die Fernbedienung zum Verstellen der Rückenlehne und Höhe des Bettes, die morgendlichen Besuche, die vertrauten Krankenhausmahlzeiten, die Hektik um den Schichtwechsel, das mitfühlende Lächeln und die freundlichen Worte der Putzfrau. Die Nächte. Diese Nächte waren jetzt anders. Mein Zimmer muss in der Nähe der Entbindungsstation gewesen sein, denn die Stille wurde oft durch lautes Schreien von Babys unterbrochen. Sie feierten Geburt und Leben.

Der Lebensretter-Knopf

Eines Nachts gab es neben den Neugeborenen ein völlig unterscheidbares, schmerzhaftes Schluchzen. Irgendwo, ein paar Stockwerke höher, weinte eine Frau bitterlich. So wie ich es vielleicht vor ein paar Jahren getan habe. Vielleicht hat mir damals ein anderer Patient genauso zugehört, als ich die Babys übertönt habe. So bitter wie möglich, voller Schmerz. In der Hoffnung, dass das Leben, das Schicksal oder eine höhere Macht es hören und Mitleid haben wird. Weil es nicht möglich ist, dass solch ein Schmerz, eine solche Bitterkeit in dieser Welt existiert. Und sie glaubt, ich glaubte, dass es passieren könnte. Wir glaubten, dass diese Macht uns hören, Mitleid mit uns haben und uns heilen würde, wenn wir laut genug wären. In der Zwischenzeit klammerte sie sich vielleicht krampfhaft an den Schwesternruf-Knopf. Als ob es Leben bedeuten würde, hing alles an diesem dünnen Kabel. Und sobald er außer Sichtweite war, hatte sie Angst und ist in Panik geraten. So wie ich damals.

Dann kam das Wochenende, die Zeit für die Visite und die Schlusspointe. Die Samstag Visiten sind anders als sonst, ein einziger Arzt führt sie durch. Es hat sich definitiv herausgestellt, dass die Plapperei rumlief, dass ich die hysterische Frau bin, die komplett gesund ist, nur Aufmerksamkeit braucht oder ein Hypochonder, oder wer genau weiß, was sie miteinander tratschen. Nur der Arzt, der die Visite am Samstag machte, ging meiner Meinung nach richtig mit der Situation um.

Ich fragte, was bei der Operation passiert sei und was sie schließlich gefunden hätten. Er sagte mir – ohne mir von dem Schlamassel in der Notaufnahme zu erzählen – dass ich sehr gut daran getan habe mich nicht wegschicken zu lassen, denn die Operation notwendig war. Eine entzündete Zyste wurde endlich entfernt.

Wobei ich mich auch vor vier Jahren nicht so einfach hätte beirren lassen sollen… Aber jetzt habe ich gelernt, dass ich für mich und meine Interessen einstehen muss, weil das sonst niemand für mich tut. Egal wie bitter das Weinen, das Selbstmitleid ist, es wird nicht „die Allheit“ betreffen. Ich bin der Einzige, der in solchen und ähnlichen Situationen etwas tun kann.

Kurzzeitig dachte ich, dass ich mich, nachdem es endlich erledigt war, erst einmal um nichts kümmern müsste. Aber ich muss immer wieder feststellen, dass ich zu naiv bin. Die wenigen Tage, die ich im Krankenhaus verbracht habe, offenbarten ein weiteres Problem, das darauf wartet, gelöst zu werden und ich kann es kaum erwarten, euch davon zu erzählen. Aber vorher muss ich abwarten, wie die Geschichte endet.

Ein Kommentar

  • Basti

    Hy, schön zu lesen, dass es dir wieder besser geht. Jetzt geht’s bestimmt stetig bergauf. Liebe Grüße ❤️ ich hoffe du meldest dich mal wieder 😃

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