Shit happens
Am schwierigsten im Rollstuhl zu sitzen, ist die Inkontinenz.
Glücklicherweise hat sich die Routine im Laufe der Zeit entwickelt, sodass sie nicht mehr so viele Probleme verursacht wie am Anfang.
Unmittelbar nach der Operation wurde der Katheter zu einem dauerhaften Zubehör, das aus verständlichen Gründen nur als Kugelfisch (oder manchmal auch als Kügelchen) bezeichnet wird. Die Windeln hingegen haben keinen Spitznamen bekommen.
Ich leugne nicht, dass die Inkontinenz einige sehr peinliche Situationen verursacht hat, die mich damals zum Weinen gebracht haben. Aber heutzutage lache ich nur.
Eine solche denkwürdige Situation ereignete sich noch im Krankenhaus. Ich habe die Schwesternruftaste gedrückt, weil der Windelwechsel aktuell geworden war. Zu meiner großen Überraschung erschien nicht eine der bekannten Schwestern in der Tür, sondern – wenn ich mich richtig erinnere – ein Mann, der aus Syrien geflohen war und viel jünger war als ich. Er sagte, er sei einige Monate zuvor in Berlin angekommen und im Rahmen eines Praktikum-Programms im Krankenhaus.
Aber das ist die eine Sache, bis dahin war ich vor dem männlichen Pflegepersonal schon nicht mehr schüchtern. Trotzdem wurde die Situation ziemlich peinlich, als ich ihm erzählte, warum ich Hilfe benötigte. Ich hatte eingekäckert. Leider reichten ihm seine sehr rudimentären Deutschkenntnisse nicht aus, um es zu verstehen. Deshalb musste ich es erklären. Nach seinem Blick zu urteilen, war es ihm mindestens genauso peinlich wie mir.
Man sagt auf Ungarisch: „Ich bin so aufgeregt, dass ich bald einpinkeln werde.“ Genau so funktioniert es bei mir in der Praxis. Ich kann nicht sagen, dass dies für alle Rollstuhlfahrer gilt, da – wie meine Ärzte immer sagen – keine zwei Fälle gleich sind.
So passierte es vor meiner zweiten Operation, dass ich gleich einpinkelte, als der Patiententransfer in meinem Zimmer ankam, obwohl ich kurz vorher kathetert hatte. Ich kam also mit einer kleinen Verzögerung im Vorbereitungsraum an. Dort wurde ich in das „OP-Bett“ gelegt. Die Ausrüstung für die Anästhesie wurde vorbereitet. Und prompt pinkelte ich erneut ein. Bis heute verstehe ich nicht, wie ich es geschafft habe, in so kurzer Zeit so viel Flüssigkeit zu produzieren. Aber ich weiß, dass ich sehr aufgeregt war 🙂
Situationen dieser Art waren im Laufe der Zeit im Krankenhaus und später im Rehabilitationszentrum viel einfacher zu bewältigen.
Außerhalb dieser gewohnten Sicherheitsumgebung ist das Problem jedoch nicht behoben.
Ich war zuletzt im Februar 2019 wegen Inkontinenz in einer schwierigen Situation. An einem der ersten Arbeitstage konnte ich nicht rechtzeitig auf die Toilette gehen. Deshalb kackte ich ein und das leider ohne Windeln. Nach einem kleinen Gewimmer und einer langen Qual ordnete ich meine Gedanken wieder und spülte meine Kleidung aus. Danach schien es keine große Herausforderung mehr zu sein nach Hause zu kommen. Ich konnte mich aber nicht mit der nassem Kleidung ins Taxi setzen, daher blieben nur die öffentlichen Verkehrsmittel übrig. Es gab relativ gutes Wetter für einen Februar. Es waren ca. 5 °C. Ich schaffte dann glücklich ohne Erkältungen und Blasenentzündung die Fahrt nach Hause. Was sonst zu andernfalls zu weiteren peinlicheren Situationen hätte führen können.
Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir nicht vorstellen, wie ich ein relativ normales Leben mit der Inkontinenz führen kann. Es machte meine Tage sehr schwierig und verursachte viel Ärger und Unsicherheit.
Aber der Mensch lernt, passt sich an. Im Laufe der Zeit habe ich mich immer mehr mit meinem Körper vertraut gemacht, seine Hinweise interpretiert und eine Routine entwickelt. Daher bin ich zuversichtlich, dass in Zukunft keine neuen Geschichten zu diesem Thema entstehen werden 😉

